Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt am 30.3. meine Bargeldklage – Stellungnahme meines Anwalts

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt am 30.3. meine Bargeldklage – Stellungnahme meines Anwalts

22.03.2022 – Norbert Häring

Seit 2015 gehe ich für das Recht durch die Instanzen, den Rundfunkbeitrag bar bezahlen zu dürfen. Nach einem Umweg zum Europäischen Gerichtshof befasst sich am 30.3. das BVerwG nochmals abschließend mit meiner Klage. Mein Anwalt, Carlos A. Gebauer, legt in einer Stellungnahme die Bedeutung des Rechts auf Bargeldnutzung für Geldverfassung und Grundrechte dar, ebenso wie Fehler in der Argumentation des EuGH in dieser Hinsicht.

Informationen zum bisherigen Verfahrensverlauf und den Hintergründen finden Sie hier.

Hier nun unsere Stellungnahme:

„In der Verwaltungsstreitsache Dr. Norbert Häring gegen Hessischer Rundfunk, BVerwG 6 C 3.21, halten wir für den Kläger in Vorbereitung des Termins zur erneuten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 30. März 2022 abschließend fest, was folgt:

  1. Die von dem Senat veranlasste Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes kann in der Sache nicht überzeugen, soweit sie den Charakter der Einzigartigkeit von Banknoten als gesetzlichem Zahlungsmittel für relativierbar erklärt. Der primärrechtlich maßgebende Wortlaut des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV ist bei gehörigem Normverständnis schlechterdings nicht anders als dahin zu verstehen, daß die von der Europäischen Zentralbank ausgegebenen Banknoten das einzige und – der Logik dieser Einzigartigkeit denknotwenig spiegelbildlich folgend – daher auch das unbeschränkbare gesetzliche Zahlungsmittel in den Staaten zu sein haben, die den Euro zu ihrer Währung erkoren haben.
    Die grammatikalische Eigenart der Bestimmung läßt sich dabei (in Zusammenschau mit ihrer spezifisch normgenetischen Entstehung anlässlich der Ausgabe des zunächst noch nicht gegenständlich existierenden Euro dann auch in der Gestalt von physischen Banknoten) widerspruchsfrei in den rechtsvergleichenden Kontext zu der für die Bundesrepublik Deutschland formulierten nationalstaatlichen und unionsrechtlich zu übernehmen beabsichtigten Vorgängerregelung aus § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG einfügen. Mit beiden Vorschriften wollten die jeweiligen Legislativen anordnen und ordneten sie an, daß der Gläubiger einer auf Geldzahlung lautenden Verbindlichkeit die ihm von seinem Schuldner anerbotene Tilgung dieser Verpflichtung (in Ermangelung einer privatautonom abweichenden individuellen Vereinbarung im Einzelfall) mittels von der Zentralbank ausgegebenen Bargeldes kategorisch zu akzeptieren hat und also in Gläubigerverzug gerät, verweigert er seine jeweilige Geldannahmehandlung als notwendige Mitwirkung an dieser Form der Schulderfüllung.
  2. Die ratio legis dieser Bestimmung – die für das gesamte bestehende Währungs- und Geldsystem nicht weniger als die geldrechtliche Fundamentalnorm schlechthin darstellt – liegt in dem unabdingbar strukturwesentlich geldtechnischen Erfordernis, dem gesamten Zahlungsverkehr innerhalb des Geldumlaufes eine einheitliche Basis als allgemeinen Bezugsmaßstab zu geben und genau dadurch ein Auseinanderfallen der Währungseinheit wegen der ansonsten möglichen (und faktisch wahrscheinlichen) Wechselkurse zwischen differierenden Gestalten nominell einheitlicher Schuldbeträge zu verhindern.
    Anders gesagt: Eine Währungseinheit braucht eine Einheit der Währung. In der logischen Sekunde, in der neben die eine (Bargeld-)Währung eine zweite (Digital-)Währung mit gesetzlich angeordnet rechtlich identischer „Tilgungsmacht“ träte, wäre eine Aufspaltung der Kaufkraft beider Erscheinungsformen dieser Währung – auch bei zunächst nomineller Gleichwertigkeit – nicht zu vermeiden. Denn entsprechend des Logik des „Greshamschen Gesetzes“ würden Geldnutzer umgehend dazu tendieren, die aus ihrer Sicht jeweils weniger werthaltige dieser dann beiden Geldsorten bevorzugt zur Schuldtilgung zu nutzen, die mehr Kaufkraft versprechende Geldsorte hingegen zu behalten. Ein Gesetzgeber, der sich dieser Handlungslogik der Geldnutzer gegenübersähe, hätte schon bald keine andere Handhabe mehr, als die von ihm angestrebte Einheit der Währung durch das Verbot der zweiten Geldsorte zu verteidigen.
  3. Die von dem Europäischen Gerichtshof gewählte Auslegungsmethode, das primärrechtliche Unionsrecht aus Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV durch interpretatorischen Rückgriff auf einen historischen Erwägungsgrund aus der Einführungsphase des Euro normativ zu relativieren und ungeachtet der terminologischen Klarheit der Vertragsklausel vom „einzigen“ gesetzlichen Zahlungsmittel nun auch bloßes Giralgeld (als eine Art Vorgriff auf eine künftige digitale Währung der Europäischen Zentralbank) unter denselben Gesetzesbegriff des einzigen Zahlungsmittels zu fassen, kann weder im engeren Sinne dogmatisch, noch auch gesamtsystematisch überzeugen. Es mag nämlich sein, daß die unionsrechtliche Rechtsprechung sich in ihrem generellen Impetus zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsrahmens historisch dazu verstanden hat, Rechtssätze ungeachtet ihrer ursprünglichen normenhierarchischen Bedeutung als einen sehr flexiblen rechtsschöpferischen Anknüpfungspunkt für neue richterrechtliche Regelungsansätze umdeuten zu können.
    Der vorliegend vorgenommenen Herauslösung eines durch Zeitablauf bereits erledigten und also selbst zu totem Recht gewordenen untergesetzlichen Erwägungsgrundes aus seinem Ursprungskontext und seiner hermeneutischen Fruchtbarmachung zur semantischen wie qualitativen Neugestaltung der geldtechnischen Fundamentalnorm des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV kann indes richtigerweise auf dem Boden jedenfalls des deutschen Rechtes nicht gefolgt werden. Die rechtsdogmatisch eindeutige Zuweisung bestimmter Regelungsinhalte durch den jeweiligen Gesetzgeber in einen nach hergebrachten Grundsätzen definierten normenhierarchischen Kontext läßt sich nämlich im Nachhinein nicht durch Richterrecht konterkarieren. Hat der Gesetzgeber entschieden, eine Regelung nicht zur untergesetzlichen Konkretisierung an Organe der Exekutive zu delegieren und hat er diese Regelung auch nicht selbst durch einfaches Gesetz getroffen, sondern hat er seinen Regelungsbefehl bewußt und gewollt in der Gestalt von Verfassungsrecht bzw. in der Gestalt unionsrechtlichen Primärrechtes ausgesprochen, so kann allenfalls derselbe legislative Normgeber diese verfassungsrechtliche oder primärrechtliche Anordnung wieder in derselben rechtsdogmatischen Weise kassieren und neu ordnen.
    Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, die die Einheit der europäischen Geld- und Währungsordnung mit ihrer hier formulierten Vorabentscheidung grundlegend infrage stellt, übersteigt nach allem die möglichen Grenzen richterlichen Entscheidungskompetenz und greift dadurch gleichermaßen methodisch unzulässig wie auch rechtlich unerlaubt in die originär souveränen Zuständigkeiten der Legislative ein.
    Ein solcher Mangel rechtsmethodischer Disziplin anstelle richterlicher Selbstbindung durch hermeneutische Zurückhaltung ist auch mitnichten eine staatsorganisatorische Petitesse. Die Bereitschaft zu überflexibler Auslegung bzw. Ausdehnung von Normquellen ungeachtet ihrer tatsächlichen rechtsdogmatischen Qualität untergräbt vielmehr ein zentrales normatives Organisationselement, das juristische Begriffsbildung in ihrem Kern kennzeichnet und von dem Rechtssicherheit wesentlich abhängt: Die semantische Über- und Unterordnung einer Vielzahl von Normbefehlen zueinander im Geflecht eines Regelungskontextes bedarf dieser Ordnung zur Meidung von Anordnungskonflikten.
    Gestattet man dem Normadressaten und/oder dem Normanwender, sich von der unausgesprochen mitgedachten und nur durch systematische Einordnung zugewiesenen hierarchischen Position einer Rechtsregel im Normenkontext selbständig loszusagen, so nimmt man jedem Normgeber einen wesensnotwendigen Teil seiner (hier legislativen) Regelungskompetenz und Regelungsautorität in der Kommunikation mit den Normadressaten. Wo nachrangige Verwaltungserwägungen richterrechtlich in den Rang von Verfassungsrecht und/oder unionsrechtlichem Primärrecht gehoben werden (könnten), da wird die demokratische Regelungshoheit des primärrechtlich sprechenden Souveräns illegitim relativiert.
  4. Das Bundesverwaltungsgericht kann die Judikatur aus dieser Vorabentscheidung ungeachtet dessen aber auch schon aus Gründen des deutschen Verfassungsrechtes nicht fortzuschreiben bereit sein. Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aus Art. 5 Abs. 1 EUV bedürfte es für die faktische Einführung einer zweiten, digitalen Währungssorte in Gestalt des Giralgeldes neben den Banknoten im Sinne des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV nämlich jedenfalls auch einer mit dem deutschen Verfassungsrecht zu vereinbarenden rechtlichen Grundlage. Tatsächlich aber wäre ein solcher „Giraleuro“ (wie auch ein etwaiger digitaler Euro) als gesetzliches Zahlungsmittel mit Annahmeobliegenheit aller Gläubiger selbst dann nicht neben oder anstelle der heute ausgegebenen Banknoten legitim einzuführen, wenn ihn nicht der – wie gezeigt – unzuständige Europäische Gerichtshof, sondern der staatsorganisatorisch alleine hierfür kompetente Unionsgesetzgeber in den Umlauf zu geben beschlösse.
  5. Der Grund hierfür liegt in dem unvermeidlichen Qualitätswechsel der Währungsbeschaffenheit, konzipiert man eine Geldordnung nicht mehr wie bislang auf der Basis von physischen Banknoten, sondern (ganz oder teilweise) auf der Grundlage digitaler Rechnungseinheiten. In einer Gesellschaft, die durch einen hohen Grad von arbeitsteiliger Lebensorganisation geprägt ist, kann der einzelne nämlich überhaupt nur dann seine physische und kulturelle Existenz sichern und erhalten, wenn er über Zahlungsmittel zum Erwerb aller derjenigen Gegenstände und Leistungen verfügt, die er nicht autonom für sich alleine herstellen kann, derer er aber für sein Leben bedarf. Banknoten sind hierbei das zentrale Funktionselement, um ein selbstbestimmtes Leben insbesondere auch in Privatheit innerhalb der objektiven Werteordnung des Grundgesetzes führen zu können.
    Die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes hat die Verfügbarkeit von Bargeld lediglich unter dem Gesichtspunkt der sozialen Integration aller Individuen in die Gesellschaft geprüft und thematisiert. Der Gerichtshof hat nicht erörtert, daß das jedenfalls für den Geltungsbereich des Grundgesetzes zu berücksichtigende Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG in seinem Wesensgehalt verloren gehen dürfe, indem die Möglichkeit des Einzelnen auf Null reduziert würde, ohne faktisch nahtlose digitale Überwachung via allgegenwärtiger Metadatenerhebung das eigene Geld nutzen zu können.
  6. Aus den vorstehend beschriebenen Gründen ist bei der ökonomischen Interaktion von Geldnutzern ungeachtet schon dieser allgemeinen bürger- und menschenrechtlichen Problematik systematisch auch unvermeidlich, daß diese – ihren legitimen subjektiven Präferenzen folgend – Wertverhältnisse unter verschiedenen Währungssorten festlegen. Zwischen zwei gesetzlichen Zahlungsmitteln (Banknoten und Giralgeld als digitaler Währungseinheit) käme es – wie dargelegt – unvermeidlich zu faktischen Wechselkursen. Zentralbanken könnten diese Zahlkraftschwankungen innerhalb der als Einheit gedachten und von ihnen zu hütenden Währung aber nicht tolerieren und müssten sie folglich unterbinden. Im Hinblick auf die aktuelle Steuerungspräferenz nicht nur der Zentralbanken, im Zweifel für digitale und gegen physische Zahlungsmittel optieren zu wollen, wäre absehbar, daß jene Zweiheit durch ein Verbot nicht des Digitalgeldes, sondern durch ein gänzliches Verbot des schon heute vielfach im Alltag zurückgedrängten baren Notengeldes zu beenden versucht würde.
    Im Gefolge dieser systematisch schon heute vorhersehbar unvermeidlichen Entwicklung käme es also in noch weiterem Umfange zu der beschriebenen Auszehrung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes aller dann kontinuierlich digital überwachten Bürger in der Eurozone, mithin auch im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Angesichts der normativen Verortung des Schutzbereiches der informationellen Selbstbestimmung wesentlich im Kernbereich des Art. 1 Abs. 1 GG kommt eine solche Auszehrung der Persönlichkeitsrechte ausnahmslos aller Geldnutzer folglich auch schon ungeachtet Art. 5 Abs. 1 EUV alleine wegen der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG für die Bundesrepublik Deutschland nicht als verfassungsgemäß in Betracht. Der durch die Möglichkeit der Nutzung von Banknoten bestehende Schutz der Privatheit ist insoweit verfassungsrechtlich irreversibel ausgestaltet.
  7. Ein weiteres kommt hinzu: Die Geschichte des Zentralbankgeldes zeigt jenseits vernünftigen Zweifels, daß eine prinzipielle Tendenz dieser Ordnungssysteme zur Inflationierung der Geldmenge besteht. Eine Zentralbank, die dennoch zugleich die Kaufkraft der bestehenden Währungseinheiten sicherstellen soll, sieht sich daher auch ungeachtet einer ihr normativ zugeschriebenen institutionellen Unabhängigkeit (spätestens aber nach einem Wegfall substantiell eigener Geldschöpfungsprivilegien von Geschäftsbanken kraft Vollgeldes der Zentralbank) einer gleichsam unmittelbaren, aber doch paradoxen Handlungserwartung gegenüber.
    Sie müßte gleichzeitig systemerhaltender Liquiditätsgarant und preisstabilisierender Wertgarant sein. Da sie dies faktisch aber nicht leisten kann, würden Märkte nach der völligen Abschaffung von Bargeld absehbar auf vielfältig anderweitige Tauschmechanismen als Privatheit gewährendes (und übrigens auch Datenverlusten entgegenwirkendes) Ausweichmedium zurückzugreifen bestrebt sein. Infolge der dadurch induzierten Verbotsspiralen gegen privatrechtlich geschaffene Ersatzliquidität wären weitere digitale Überwachungsmechanismen unvermeidlich, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland konsekutiv endgültig in ein ihr fremdes System der ökonomischen Totalüberwachung verwandeln würden.
  8. Der Schutzauftrag des Staates unter der Geltung des Grundgesetzes geht sicher auch dahin, den Bürger vor den Risiken einer die Selbstzwecklichkeit jedes Individuums prinzipiell infrage stellenden digitalen Rundumüberwachung zu bewahren. Das Missbrauchspotential in den Händen zentralisierter Währungssysteme – seien sie staatlich oder privat organisiert – liegt in der schon heute erkennbaren Möglichkeit, unliebsame Einzelne ohne vorherige gerichtliche Prüfung in einem ordnungsgerecht betriebenen Verfahren digital von der lebenswichtigen Versorgung mit Liquidität abzuschneiden. Die hohe Effizienz des „Abnabelns“ störender Demonstranten von ihren Bankguthaben durch die kanadische Regierung hat jüngst gezeigt: Käme dieses Instrument in die Hände nicht einer ordnungsgemäß gewählten und in den Grenzen der Rechtsordnung handelnden Regierung, sondern stünde es einem wie auch immer gearteten missbräuchlichen Einsatz offen, wären die Konsequenzen für die Bürger- und Menschenrechte der Betroffenen fatal. Die Hinnahme eines parallelen „Giraleuros“ mit Annahmeobliegenheit (oder gar die vieldiskutierte Einführung einer monopolisierten digitalen Zentralbankwährung) als „auch einzigem“ gesetzlichen Zahlungsmittel würde den dann absehbar unumkehrbaren Weg in dieses verfassungswidrige Szenario ebnen. Sie ist nach allem kein verfassungsrechtlich tolerierbares Instrument, um eine aus den Fugen geratende Geld- und Währungsordnung legitim einzuhegen.
  9. Auch wenn es in dem vorliegenden Verfahren lediglich um die (auch nach der Argumentation des Europäischen Gerichtshofes ersichtlich mit Unrecht) vorgestellte satzungsrechtliche Befugnis der Beklagten geht, die ihr von dem Kläger monatlich geschuldeten € 18,36 nicht in Bargeld annehmen zu müssen, so reicht die grundsätzliche Bedeutung der anstehenden Entscheidung des Senates ersichtlich viel weiter. Ein verabsolutiertes Giralgeld bei gleichzeitig abgeschafftem (oder selbst nur marginalisiertem) Bargeld schüfe in dem heutigen „Digitalzeitalter“ weite Teile der Gesamtrechtsordnung verfassungswidrig um. Die Erleichterung des Zahlungsverkehrs in einer Behörde ist jedenfalls kein legitimer Zweck, der mittels grundlegender und qualitätsändernder Umgestaltung des Währungsrechtes verfolgt werden dürfte.
    Insbesondere ist nicht zu unterschätzen, welches Signal ausgerechnet dadurch in die Öffentlichkeit gegeben wird, wenn selbst eine Behörde die Nutzung von Zentralbankgeld restringiert. Der ungewollte Vorbildcharakter dieser scheinbar in der Sache neutralen und nur verwaltungstechnisch modifizierten Bestimmung kann nicht unterschätzt werden. Selbst wenn man die Abschaffung der Banknoten hierzu als ein geeignetes Mittel ansehen wollte, das erforderlich wäre, um nötige Ressourcen einzusparen, so bliebe die Beseitigung der Annahmeobliegenheit für Bargeld wegen ihrer unabsehbaren Nebeneffekte zu Lasten des informationellen Selbstbestimmungsrechtes und der nicht abwägbaren Menschenwürde ein gesamthaft unverhältnismäßiges Mittel.
    Der Europäische Gerichtshof hat die Aufgabe zur Prüfung der Verhältnismäßigkeitsfragen in die Hände der Mitgliedsstaaten und also in die Kompetenz des hiesigen Gerichtes gelegt. Der Kläger erhofft sich eine grundlegende Klärung durch den Senat in geldsystematischer und grundrechtlicher Hinsicht, um die drohenden schwerwiegenden Nachteile für das Gemeinwesen tunlichst abzuwenden. Selbst wenn der Senat die methodologische Kritik an dem Richterecht des Europäischen Gerichtshofes nicht teilt, so ergibt die jedenfalls anstehende Verhältnismäßigkeitsprüfung in Anbetracht des Gewichtes der betroffenen Grundrechte, daß die drohenden Grundrechtsverkürzungen jedenfalls höher zu gewichten sind, als das Anstaltsziel eines kostengünstigeren Verwaltungsvollzuges.

(Gebauer)
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht“

Danksagung (N.H.): Meine Klage für das Recht auf Bargeldnutzung wird von Prometheus – Das Freiheitsinstitut unterstützt.

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt am 30.3. meine Bargeldklage – Stellungnahme meines Anwalts

22.03.2022 – Norbert Häring

Seit 2015 gehe ich für das Recht durch die Instanzen, den Rundfunkbeitrag bar bezahlen zu dürfen. Nach einem Umweg zum Europäischen Gerichtshof befasst sich am 30.3. das BVerwG nochmals abschließend mit meiner Klage. Mein Anwalt, Carlos A. Gebauer, legt in einer Stellungnahme die Bedeutung des Rechts auf Bargeldnutzung für Geldverfassung und Grundrechte dar, ebenso wie Fehler in der Argumentation des EuGH in dieser Hinsicht.

Informationen zum bisherigen Verfahrensverlauf und den Hintergründen finden Sie hier.

Hier nun unsere Stellungnahme:

„In der Verwaltungsstreitsache Dr. Norbert Häring gegen Hessischer Rundfunk, BVerwG 6 C 3.21, halten wir für den Kläger in Vorbereitung des Termins zur erneuten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 30. März 2022 abschließend fest, was folgt:

  1. Die von dem Senat veranlasste Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes kann in der Sache nicht überzeugen, soweit sie den Charakter der Einzigartigkeit von Banknoten als gesetzlichem Zahlungsmittel für relativierbar erklärt. Der primärrechtlich maßgebende Wortlaut des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV ist bei gehörigem Normverständnis schlechterdings nicht anders als dahin zu verstehen, daß die von der Europäischen Zentralbank ausgegebenen Banknoten das einzige und – der Logik dieser Einzigartigkeit denknotwenig spiegelbildlich folgend – daher auch das unbeschränkbare gesetzliche Zahlungsmittel in den Staaten zu sein haben, die den Euro zu ihrer Währung erkoren haben.
    Die grammatikalische Eigenart der Bestimmung läßt sich dabei (in Zusammenschau mit ihrer spezifisch normgenetischen Entstehung anlässlich der Ausgabe des zunächst noch nicht gegenständlich existierenden Euro dann auch in der Gestalt von physischen Banknoten) widerspruchsfrei in den rechtsvergleichenden Kontext zu der für die Bundesrepublik Deutschland formulierten nationalstaatlichen und unionsrechtlich zu übernehmen beabsichtigten Vorgängerregelung aus § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG einfügen. Mit beiden Vorschriften wollten die jeweiligen Legislativen anordnen und ordneten sie an, daß der Gläubiger einer auf Geldzahlung lautenden Verbindlichkeit die ihm von seinem Schuldner anerbotene Tilgung dieser Verpflichtung (in Ermangelung einer privatautonom abweichenden individuellen Vereinbarung im Einzelfall) mittels von der Zentralbank ausgegebenen Bargeldes kategorisch zu akzeptieren hat und also in Gläubigerverzug gerät, verweigert er seine jeweilige Geldannahmehandlung als notwendige Mitwirkung an dieser Form der Schulderfüllung.
  2. Die ratio legis dieser Bestimmung – die für das gesamte bestehende Währungs- und Geldsystem nicht weniger als die geldrechtliche Fundamentalnorm schlechthin darstellt – liegt in dem unabdingbar strukturwesentlich geldtechnischen Erfordernis, dem gesamten Zahlungsverkehr innerhalb des Geldumlaufes eine einheitliche Basis als allgemeinen Bezugsmaßstab zu geben und genau dadurch ein Auseinanderfallen der Währungseinheit wegen der ansonsten möglichen (und faktisch wahrscheinlichen) Wechselkurse zwischen differierenden Gestalten nominell einheitlicher Schuldbeträge zu verhindern.
    Anders gesagt: Eine Währungseinheit braucht eine Einheit der Währung. In der logischen Sekunde, in der neben die eine (Bargeld-)Währung eine zweite (Digital-)Währung mit gesetzlich angeordnet rechtlich identischer „Tilgungsmacht“ träte, wäre eine Aufspaltung der Kaufkraft beider Erscheinungsformen dieser Währung – auch bei zunächst nomineller Gleichwertigkeit – nicht zu vermeiden. Denn entsprechend des Logik des „Greshamschen Gesetzes“ würden Geldnutzer umgehend dazu tendieren, die aus ihrer Sicht jeweils weniger werthaltige dieser dann beiden Geldsorten bevorzugt zur Schuldtilgung zu nutzen, die mehr Kaufkraft versprechende Geldsorte hingegen zu behalten. Ein Gesetzgeber, der sich dieser Handlungslogik der Geldnutzer gegenübersähe, hätte schon bald keine andere Handhabe mehr, als die von ihm angestrebte Einheit der Währung durch das Verbot der zweiten Geldsorte zu verteidigen.
  3. Die von dem Europäischen Gerichtshof gewählte Auslegungsmethode, das primärrechtliche Unionsrecht aus Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV durch interpretatorischen Rückgriff auf einen historischen Erwägungsgrund aus der Einführungsphase des Euro normativ zu relativieren und ungeachtet der terminologischen Klarheit der Vertragsklausel vom „einzigen“ gesetzlichen Zahlungsmittel nun auch bloßes Giralgeld (als eine Art Vorgriff auf eine künftige digitale Währung der Europäischen Zentralbank) unter denselben Gesetzesbegriff des einzigen Zahlungsmittels zu fassen, kann weder im engeren Sinne dogmatisch, noch auch gesamtsystematisch überzeugen. Es mag nämlich sein, daß die unionsrechtliche Rechtsprechung sich in ihrem generellen Impetus zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsrahmens historisch dazu verstanden hat, Rechtssätze ungeachtet ihrer ursprünglichen normenhierarchischen Bedeutung als einen sehr flexiblen rechtsschöpferischen Anknüpfungspunkt für neue richterrechtliche Regelungsansätze umdeuten zu können.
    Der vorliegend vorgenommenen Herauslösung eines durch Zeitablauf bereits erledigten und also selbst zu totem Recht gewordenen untergesetzlichen Erwägungsgrundes aus seinem Ursprungskontext und seiner hermeneutischen Fruchtbarmachung zur semantischen wie qualitativen Neugestaltung der geldtechnischen Fundamentalnorm des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV kann indes richtigerweise auf dem Boden jedenfalls des deutschen Rechtes nicht gefolgt werden. Die rechtsdogmatisch eindeutige Zuweisung bestimmter Regelungsinhalte durch den jeweiligen Gesetzgeber in einen nach hergebrachten Grundsätzen definierten normenhierarchischen Kontext läßt sich nämlich im Nachhinein nicht durch Richterrecht konterkarieren. Hat der Gesetzgeber entschieden, eine Regelung nicht zur untergesetzlichen Konkretisierung an Organe der Exekutive zu delegieren und hat er diese Regelung auch nicht selbst durch einfaches Gesetz getroffen, sondern hat er seinen Regelungsbefehl bewußt und gewollt in der Gestalt von Verfassungsrecht bzw. in der Gestalt unionsrechtlichen Primärrechtes ausgesprochen, so kann allenfalls derselbe legislative Normgeber diese verfassungsrechtliche oder primärrechtliche Anordnung wieder in derselben rechtsdogmatischen Weise kassieren und neu ordnen.
    Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, die die Einheit der europäischen Geld- und Währungsordnung mit ihrer hier formulierten Vorabentscheidung grundlegend infrage stellt, übersteigt nach allem die möglichen Grenzen richterlichen Entscheidungskompetenz und greift dadurch gleichermaßen methodisch unzulässig wie auch rechtlich unerlaubt in die originär souveränen Zuständigkeiten der Legislative ein.
    Ein solcher Mangel rechtsmethodischer Disziplin anstelle richterlicher Selbstbindung durch hermeneutische Zurückhaltung ist auch mitnichten eine staatsorganisatorische Petitesse. Die Bereitschaft zu überflexibler Auslegung bzw. Ausdehnung von Normquellen ungeachtet ihrer tatsächlichen rechtsdogmatischen Qualität untergräbt vielmehr ein zentrales normatives Organisationselement, das juristische Begriffsbildung in ihrem Kern kennzeichnet und von dem Rechtssicherheit wesentlich abhängt: Die semantische Über- und Unterordnung einer Vielzahl von Normbefehlen zueinander im Geflecht eines Regelungskontextes bedarf dieser Ordnung zur Meidung von Anordnungskonflikten.
    Gestattet man dem Normadressaten und/oder dem Normanwender, sich von der unausgesprochen mitgedachten und nur durch systematische Einordnung zugewiesenen hierarchischen Position einer Rechtsregel im Normenkontext selbständig loszusagen, so nimmt man jedem Normgeber einen wesensnotwendigen Teil seiner (hier legislativen) Regelungskompetenz und Regelungsautorität in der Kommunikation mit den Normadressaten. Wo nachrangige Verwaltungserwägungen richterrechtlich in den Rang von Verfassungsrecht und/oder unionsrechtlichem Primärrecht gehoben werden (könnten), da wird die demokratische Regelungshoheit des primärrechtlich sprechenden Souveräns illegitim relativiert.
  4. Das Bundesverwaltungsgericht kann die Judikatur aus dieser Vorabentscheidung ungeachtet dessen aber auch schon aus Gründen des deutschen Verfassungsrechtes nicht fortzuschreiben bereit sein. Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aus Art. 5 Abs. 1 EUV bedürfte es für die faktische Einführung einer zweiten, digitalen Währungssorte in Gestalt des Giralgeldes neben den Banknoten im Sinne des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV nämlich jedenfalls auch einer mit dem deutschen Verfassungsrecht zu vereinbarenden rechtlichen Grundlage. Tatsächlich aber wäre ein solcher „Giraleuro“ (wie auch ein etwaiger digitaler Euro) als gesetzliches Zahlungsmittel mit Annahmeobliegenheit aller Gläubiger selbst dann nicht neben oder anstelle der heute ausgegebenen Banknoten legitim einzuführen, wenn ihn nicht der – wie gezeigt – unzuständige Europäische Gerichtshof, sondern der staatsorganisatorisch alleine hierfür kompetente Unionsgesetzgeber in den Umlauf zu geben beschlösse.
  5. Der Grund hierfür liegt in dem unvermeidlichen Qualitätswechsel der Währungsbeschaffenheit, konzipiert man eine Geldordnung nicht mehr wie bislang auf der Basis von physischen Banknoten, sondern (ganz oder teilweise) auf der Grundlage digitaler Rechnungseinheiten. In einer Gesellschaft, die durch einen hohen Grad von arbeitsteiliger Lebensorganisation geprägt ist, kann der einzelne nämlich überhaupt nur dann seine physische und kulturelle Existenz sichern und erhalten, wenn er über Zahlungsmittel zum Erwerb aller derjenigen Gegenstände und Leistungen verfügt, die er nicht autonom für sich alleine herstellen kann, derer er aber für sein Leben bedarf. Banknoten sind hierbei das zentrale Funktionselement, um ein selbstbestimmtes Leben insbesondere auch in Privatheit innerhalb der objektiven Werteordnung des Grundgesetzes führen zu können.
    Die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes hat die Verfügbarkeit von Bargeld lediglich unter dem Gesichtspunkt der sozialen Integration aller Individuen in die Gesellschaft geprüft und thematisiert. Der Gerichtshof hat nicht erörtert, daß das jedenfalls für den Geltungsbereich des Grundgesetzes zu berücksichtigende Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG in seinem Wesensgehalt verloren gehen dürfe, indem die Möglichkeit des Einzelnen auf Null reduziert würde, ohne faktisch nahtlose digitale Überwachung via allgegenwärtiger Metadatenerhebung das eigene Geld nutzen zu können.
  6. Aus den vorstehend beschriebenen Gründen ist bei der ökonomischen Interaktion von Geldnutzern ungeachtet schon dieser allgemeinen bürger- und menschenrechtlichen Problematik systematisch auch unvermeidlich, daß diese – ihren legitimen subjektiven Präferenzen folgend – Wertverhältnisse unter verschiedenen Währungssorten festlegen. Zwischen zwei gesetzlichen Zahlungsmitteln (Banknoten und Giralgeld als digitaler Währungseinheit) käme es – wie dargelegt – unvermeidlich zu faktischen Wechselkursen. Zentralbanken könnten diese Zahlkraftschwankungen innerhalb der als Einheit gedachten und von ihnen zu hütenden Währung aber nicht tolerieren und müssten sie folglich unterbinden. Im Hinblick auf die aktuelle Steuerungspräferenz nicht nur der Zentralbanken, im Zweifel für digitale und gegen physische Zahlungsmittel optieren zu wollen, wäre absehbar, daß jene Zweiheit durch ein Verbot nicht des Digitalgeldes, sondern durch ein gänzliches Verbot des schon heute vielfach im Alltag zurückgedrängten baren Notengeldes zu beenden versucht würde.
    Im Gefolge dieser systematisch schon heute vorhersehbar unvermeidlichen Entwicklung käme es also in noch weiterem Umfange zu der beschriebenen Auszehrung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes aller dann kontinuierlich digital überwachten Bürger in der Eurozone, mithin auch im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Angesichts der normativen Verortung des Schutzbereiches der informationellen Selbstbestimmung wesentlich im Kernbereich des Art. 1 Abs. 1 GG kommt eine solche Auszehrung der Persönlichkeitsrechte ausnahmslos aller Geldnutzer folglich auch schon ungeachtet Art. 5 Abs. 1 EUV alleine wegen der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG für die Bundesrepublik Deutschland nicht als verfassungsgemäß in Betracht. Der durch die Möglichkeit der Nutzung von Banknoten bestehende Schutz der Privatheit ist insoweit verfassungsrechtlich irreversibel ausgestaltet.
  7. Ein weiteres kommt hinzu: Die Geschichte des Zentralbankgeldes zeigt jenseits vernünftigen Zweifels, daß eine prinzipielle Tendenz dieser Ordnungssysteme zur Inflationierung der Geldmenge besteht. Eine Zentralbank, die dennoch zugleich die Kaufkraft der bestehenden Währungseinheiten sicherstellen soll, sieht sich daher auch ungeachtet einer ihr normativ zugeschriebenen institutionellen Unabhängigkeit (spätestens aber nach einem Wegfall substantiell eigener Geldschöpfungsprivilegien von Geschäftsbanken kraft Vollgeldes der Zentralbank) einer gleichsam unmittelbaren, aber doch paradoxen Handlungserwartung gegenüber.
    Sie müßte gleichzeitig systemerhaltender Liquiditätsgarant und preisstabilisierender Wertgarant sein. Da sie dies faktisch aber nicht leisten kann, würden Märkte nach der völligen Abschaffung von Bargeld absehbar auf vielfältig anderweitige Tauschmechanismen als Privatheit gewährendes (und übrigens auch Datenverlusten entgegenwirkendes) Ausweichmedium zurückzugreifen bestrebt sein. Infolge der dadurch induzierten Verbotsspiralen gegen privatrechtlich geschaffene Ersatzliquidität wären weitere digitale Überwachungsmechanismen unvermeidlich, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland konsekutiv endgültig in ein ihr fremdes System der ökonomischen Totalüberwachung verwandeln würden.
  8. Der Schutzauftrag des Staates unter der Geltung des Grundgesetzes geht sicher auch dahin, den Bürger vor den Risiken einer die Selbstzwecklichkeit jedes Individuums prinzipiell infrage stellenden digitalen Rundumüberwachung zu bewahren. Das Missbrauchspotential in den Händen zentralisierter Währungssysteme – seien sie staatlich oder privat organisiert – liegt in der schon heute erkennbaren Möglichkeit, unliebsame Einzelne ohne vorherige gerichtliche Prüfung in einem ordnungsgerecht betriebenen Verfahren digital von der lebenswichtigen Versorgung mit Liquidität abzuschneiden. Die hohe Effizienz des „Abnabelns“ störender Demonstranten von ihren Bankguthaben durch die kanadische Regierung hat jüngst gezeigt: Käme dieses Instrument in die Hände nicht einer ordnungsgemäß gewählten und in den Grenzen der Rechtsordnung handelnden Regierung, sondern stünde es einem wie auch immer gearteten missbräuchlichen Einsatz offen, wären die Konsequenzen für die Bürger- und Menschenrechte der Betroffenen fatal. Die Hinnahme eines parallelen „Giraleuros“ mit Annahmeobliegenheit (oder gar die vieldiskutierte Einführung einer monopolisierten digitalen Zentralbankwährung) als „auch einzigem“ gesetzlichen Zahlungsmittel würde den dann absehbar unumkehrbaren Weg in dieses verfassungswidrige Szenario ebnen. Sie ist nach allem kein verfassungsrechtlich tolerierbares Instrument, um eine aus den Fugen geratende Geld- und Währungsordnung legitim einzuhegen.
  9. Auch wenn es in dem vorliegenden Verfahren lediglich um die (auch nach der Argumentation des Europäischen Gerichtshofes ersichtlich mit Unrecht) vorgestellte satzungsrechtliche Befugnis der Beklagten geht, die ihr von dem Kläger monatlich geschuldeten € 18,36 nicht in Bargeld annehmen zu müssen, so reicht die grundsätzliche Bedeutung der anstehenden Entscheidung des Senates ersichtlich viel weiter. Ein verabsolutiertes Giralgeld bei gleichzeitig abgeschafftem (oder selbst nur marginalisiertem) Bargeld schüfe in dem heutigen „Digitalzeitalter“ weite Teile der Gesamtrechtsordnung verfassungswidrig um. Die Erleichterung des Zahlungsverkehrs in einer Behörde ist jedenfalls kein legitimer Zweck, der mittels grundlegender und qualitätsändernder Umgestaltung des Währungsrechtes verfolgt werden dürfte.
    Insbesondere ist nicht zu unterschätzen, welches Signal ausgerechnet dadurch in die Öffentlichkeit gegeben wird, wenn selbst eine Behörde die Nutzung von Zentralbankgeld restringiert. Der ungewollte Vorbildcharakter dieser scheinbar in der Sache neutralen und nur verwaltungstechnisch modifizierten Bestimmung kann nicht unterschätzt werden. Selbst wenn man die Abschaffung der Banknoten hierzu als ein geeignetes Mittel ansehen wollte, das erforderlich wäre, um nötige Ressourcen einzusparen, so bliebe die Beseitigung der Annahmeobliegenheit für Bargeld wegen ihrer unabsehbaren Nebeneffekte zu Lasten des informationellen Selbstbestimmungsrechtes und der nicht abwägbaren Menschenwürde ein gesamthaft unverhältnismäßiges Mittel.
    Der Europäische Gerichtshof hat die Aufgabe zur Prüfung der Verhältnismäßigkeitsfragen in die Hände der Mitgliedsstaaten und also in die Kompetenz des hiesigen Gerichtes gelegt. Der Kläger erhofft sich eine grundlegende Klärung durch den Senat in geldsystematischer und grundrechtlicher Hinsicht, um die drohenden schwerwiegenden Nachteile für das Gemeinwesen tunlichst abzuwenden. Selbst wenn der Senat die methodologische Kritik an dem Richterecht des Europäischen Gerichtshofes nicht teilt, so ergibt die jedenfalls anstehende Verhältnismäßigkeitsprüfung in Anbetracht des Gewichtes der betroffenen Grundrechte, daß die drohenden Grundrechtsverkürzungen jedenfalls höher zu gewichten sind, als das Anstaltsziel eines kostengünstigeren Verwaltungsvollzuges.

(Gebauer)
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht“

Danksagung (N.H.): Meine Klage für das Recht auf Bargeldnutzung wird von Prometheus – Das Freiheitsinstitut unterstützt.

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