Hass lässt sich nur durch Empathie vermindern

Hass lässt sich nur durch Empathie vermindern

10.03.2024 – Norbert Häring

10. 03. 2024 |  Kürzlich hatte ich hier beklagt, dass das massenhafte Verhungern der Menschen im Gazstreifen keine Rolle spielt, weil es nicht auf unsere Bildschirme kommt und die Politik Wichtigeres zu tun hat. Das hat einige bemerkenswerte Reaktionen von Lesern hervorgerufen, die aus meiner Sicht deutlich machen, was geschehen muss, damit das Dauerelend in dieser Region überwunden wird.

Mein Aufruf zum Mitgefühl, mein (implizites) Verlangen, dass die Medien angemessen berichten sollten und dass etwas getan werden müsste, um dieses unsagbare massenhafte Leid zu lindern, nannte keine Schuldigen und kein Rezept. Gemeint sein konnte, neben unseren Medien, die amerikanische, ägyptische  oder die deutsche Regierung, die Regierung in Jerusalem oder die Hamas, oder diejenigen, die auf letztere zwei Einfluss nehmen können.

Eine Leserin schrieb:

“Beschweren Sie sich bitte bei der Hamas und sagen Sie denen, sie sollen nicht immer die Hilfsmittel stehlen. Zudem hat niemand die Palästinenser gezwungen, Juden zu vergewaltigen, zu ermorden, zu bestehlen und zu plündern. An die Konsequenzen hätten diese Leute vorher denken können. Immerhin haben sie alle die Hamas gewählt und fanden den Angriff auf Israel gut. Stolz haben sie mit ihren Sklaven geprahlt. Jetzt sind sie von ihren Gotteskriegern zurückgelassen worden. Schauen Sie sich Nigeria an. Dort haben die Kumpel der Palästinenser schon wieder Mädchen als Sex Sklavinnen entführt. Schade dass Nigeria keine Militaroperation durchführt um sie zu befreien. Der Wert von Frauen ist in Israel deutlich höher.”

Ein Leser schrieb:

“Zu ihren Artikeln vom 28.10.2023 “ARD gibt mit Sprachregelung zu Nahost eine journalistische Bankrotterklärung ab” und ihrem Aufruf/Aufschrei? vom 8.03.2024 “Die massenhaft elend verhungernden Menschen in Gaza spielen keine Rolle, denn sie erreichen unsere Bildschirme nicht und die Politik hat wichtigere Themen” kann ich ihnen gerne eine Informationsquelle der UNO zukommen lassen (Bericht des Sondergesandten für sexuelle Gewalt in kriegerischen Konflikten über die Hamas-Attacke vom 7.10.2023). Vielleicht erkennen sie ja noch die Parallelen der Bevölkerung von Gaza zur Situation der deutschen und östereichischen Bevölkerung während des zweiten Weltkriegs. Hätte die Welt damals genauso im Sinne der leidenden deutschen und österreichischen Bevölkerung argumentiert und insistiert und dem auch noch nachgegeben, hätte sich das damalige Regime wohl noch länger gehalten.

Bitte bringen sie doch auch Artikel wo sich eine deutliche Distanzierung von Terror, Mord, Folter, Verstümmelung, Vergewaltigung, Entführung und Kriegsverbrechen der Hamas und damit der aktuellen Führung der Bevölkerung von Gaza findet. Auch eine Erwähnung der Rolle von einigen UNRWA Mitarbeitern in diesem tragischen Konflikt wäre im Sinne der ausgewogenen Berichterstattung ihrerseits nicht unangebracht, und zwar bezüglich deren Hamas Mitgliedschaft und direkter Unterstützung. Ich bin mir recht sicher ihre Empathie erstreckt sich nicht nur auf die notleidende Bevölkerung von Gaza sondern auch auf die am 7.10 verschleppten und seit Monaten in Geiselhaft gehaltenen Menschen in Gaza. Oder sind sie ähnlich Judith Butler der Ansicht, ich zitiere “October 7 was an act of armed resistance”?”

Ich finde nicht, dass die zu Tausenden verhungernden und schwer verletzten palästinensischen Kinder und die zu Zehntausenden sterbenden Zivilisten als Kollektivschuldige für die grausamen Verbrechen der Hamas-Kämpfer verantwortlich gemacht und mit dem Tod bestraft werden sollten. Ich finde, man darf Mitgefühl mit ihnen ausdrücken, auch ohne gleichzeitig Mitgefühl mit allen anderen leidenden Menschen der Welt auszudrücken. Daran ändert auch nichts, dass viele palästinensische Zivilisten Israel hassen, so wie viele Israelis die Palästinenser hassen.

Natürlich habe ich Mitgefühl mit den israelischen Opfern des Hamas-Ǜberfalls und generell der Angriffe der Hamas. Ich habe Verständnis für den Wunsch der in Israel geborenen und aufgewachsenen Menschen, in ihrer Heimat in Frieden zu leben und ihre Wut darüber, dass man sie nicht lässt. Genauso habe ich Verständnis dafür, dass die Palästinenser nicht in Reservaten unter israelischer Oberhoheit zusammengepfercht leben wollen und sich gegen die Behandlung als Menschen dritter Klasse auflehnen.

So wie die beiden Seiten in den letzten Jahrzehnten miteinander umgegangen sind, werden sie nie aus dieser Spirale des gegenseitigen Hasses herauskommen. Das letzte, was sie brauchen, ist eine Weltöffenltichkeit, die sich an dieser Spirale des Hasses beteiligt.

Wer meinen Blog kennt, weiß, dass ich fast nur über das schreibe, worüber die großen Medien nicht oder nicht das aus meiner Sicht Richtige und Wichtige schreiben. Ich bin kein allgemeines Nachrichtenmedium.

Wenn unser Rundfunk sogar eine Anweisung an seine Journalisten erlässt, bei jedem Bericht über israelische Angriffe und Opfer ausdrücklich hinzuzusetzen, dass daran die Hamas schuld ist, wegen ihres Terroranschlags vom 7. Oktober, dann sind wir sicherlich in einer Situation, in der dieser Zusammenhang ausreichend medial betont wird. Ich muss nicht ausdrücklich dazu sagen, dass ich diesen Terroranschlag verurteile und alle islamistischen Terroranschläge in Nigeria und andernorts gleich mit, um die Berichterstattung der Medien über die Katastrophe in Gaza kritisieren zu dürfen und zum Mitgefühl für die dortigen Menschen aufzurufen. Das wäre reines Signalisieren moralischer Tugend und das ist mir zuwider, auch weil es den Ausdruck von Mitgefühl unter Vorbehalt stellt. Es sollte aber keine Vorbedingungen für Mitgefühl geben.

Wie unsere Medien berichten

Treten wir einen Schritt zurück und schauen auf die Berichterstattung der Medien über Gaza in den letzten Wochen, so taucht das unermessliche Leid der Bevölkerung dort zwar am Rande auf, aber fast nur noch in Zusammenhang mit – völlig unzureichenden – Bemühungen der USA und Europas, es zu lindern. Die anhaltende Bombardierung durch Israel und die dadurch – und vielleicht auch durch weitere Maßnahmen – viel zu geringen Nahrungsmittellieferungen in das Getto der im Zielgebiet eingesperrten, ist fast völlig aus der Berichterstattung verschwunden. Erst als am Sonntag (10.3.) der um seine Wiederwahl bangende US-Präsident Biden Israel zur Einstellung der Kämpfe und zu Verhandlungen über die Geiselfreilassung aufforderte, waren in der Tagesschau wieder israelische Bomben und Kämpfer im Gazastreifen zu sehen.

Ich habe mich zwar wegen der deutschen Geschichte bisher immer sehr mit Kritik an der israelischen Regierung zurückgehalten, aber derzeit ist allzu offensichtlich, dass das, was das israelische Militär mit der Bevölkerung des Gazastreifens macht, für die meisten Menschen auf der Welt weit über das hinausgeht, was man mit dem unbestrittenen Recht des Landes auf Selbstverteidigung rechtfertigen kann. Der Überfall der Hamas war ein grausamer Terrorakt mit hunderten Toten. Die Bombardierung von Gaza durch Israel, mit derzeit über 30.000 Toten, von denen weit über die Hälfte Frauen und Kinder sein sollen, und die offenbar gezielte Eskalation der Notsituation durch Israel, werden derzeit von internationalen Gerichten auf den Tatbestand des Völkermordes geprüft.

Wohl deshalb gehen die Leserbriefschreiber ganz selbstverständlich davon aus, dass ich mit meinem Ruf nach tätigem Mitgefühl für die Menschen im Gazastreifen vor allem oder nur Israel kritisieren will und unterstellen mir wegen dieses Aufrufs, dass ich kein Verständnis für die Lage der Israelis und keine Mitgefühl für israelische Opfer habe.

Nur wenn ich es leugnen würde, oder wenn ich alle Schuld der israelischen Regierung zuweisen würde, müsste man mich darauf hinweisen, dass die Hamas den Terroranschlag ausführte, der den Krieg auslöste. Und das die Hamas auch nach Beginn des israelischen Angriffs die Zivilbevölkerung Israels noch so lange sie konnte, mit Raketen beschoss, was das bereits deutlich erkennbare Leiden der Bevölkerung im Gaza-Streifen absehbar vergrößerte, nur mit dem zerstörerischen Ziel, den Hass auf Israel in der muslimischen Welt zu vergrößern. Wenn ich in einem arabischen Land leben und schreiben würde, müsste ich, als jemand, der die Informationslücken des Mainstream füllen helfen will, vor auf die Schuld der Hamas hinweisen, weil die Rolle Israels von den etablierten Medien dort schon mehr als hinreichend beleuchtet wird.

Aber ich wohne in Deutschland, und die öffentliche Meinung in Deutschland und Europa hat herzlich wenig Einfluss auf den Iran als Schutzmacht der Hamas und auf die Hamas selbst. Was die USA als Schutzmacht Israels und Israel selbst angeht, ist das anders. Deshalb spieße ich es auf, wenn unsere Medien so tun, als würden isch die Möglichkeiten der US-Regierung und ihres europäischen Gefolges etwas Positives beizutragen, notwendig darauf beschränken, Pakete abzuwerfen und an einem Hafen für Hilfslieferungen zu arbeiten.

Die US-Regierung hat es in der Hand, an einer Entspannung mit dem Iran zu arbeiten und so die Untersützung der militanten Hamas-Politik abzubauen. Sie hat es in der Hand, die in der eigenen Bevölkerung sehr umstrittene, rechtsradikale Hardliner-Regierung in Israel dazu zu bewegen, die Palästinenser besser zu behandeln, ihnen Perspektiven für eine bessere Zukunft zu eröffnen, und so auch von dieser Seite Hasspotenzial abzubauen.

Der Aussöhnung im Wege steht eine Haltung, die Mitgefühl für eine Gruppe als fehlendes Mitgefühl für eine andere Gruppe und als Anklage gegen diese interpretiert, nur weil diese Gruppen sich feindlich gegenüberstehen. Wer solche Reflexe hat, hat sich von einem hasserfüllten Klima anstecken lassen. Wenn man den Hass der Palästinenser auf Israel abbauen will, muss man erst einmal Verständnis für deren Lage aufbringen und überlegen, was man tun kann, um diese zu verbessern, genauso wie man sich Gedanken darüber machen muss, wie man dabei die Sicherheit der Israelis garantieren kann, ohne die Palästinenser zu unterdrücken.

Hass lässt sich nur durch Empathie vermindern

10.03.2024 – Norbert Häring

10. 03. 2024 |  Kürzlich hatte ich hier beklagt, dass das massenhafte Verhungern der Menschen im Gazstreifen keine Rolle spielt, weil es nicht auf unsere Bildschirme kommt und die Politik Wichtigeres zu tun hat. Das hat einige bemerkenswerte Reaktionen von Lesern hervorgerufen, die aus meiner Sicht deutlich machen, was geschehen muss, damit das Dauerelend in dieser Region überwunden wird.

Mein Aufruf zum Mitgefühl, mein (implizites) Verlangen, dass die Medien angemessen berichten sollten und dass etwas getan werden müsste, um dieses unsagbare massenhafte Leid zu lindern, nannte keine Schuldigen und kein Rezept. Gemeint sein konnte, neben unseren Medien, die amerikanische, ägyptische  oder die deutsche Regierung, die Regierung in Jerusalem oder die Hamas, oder diejenigen, die auf letztere zwei Einfluss nehmen können.

Eine Leserin schrieb:

“Beschweren Sie sich bitte bei der Hamas und sagen Sie denen, sie sollen nicht immer die Hilfsmittel stehlen. Zudem hat niemand die Palästinenser gezwungen, Juden zu vergewaltigen, zu ermorden, zu bestehlen und zu plündern. An die Konsequenzen hätten diese Leute vorher denken können. Immerhin haben sie alle die Hamas gewählt und fanden den Angriff auf Israel gut. Stolz haben sie mit ihren Sklaven geprahlt. Jetzt sind sie von ihren Gotteskriegern zurückgelassen worden. Schauen Sie sich Nigeria an. Dort haben die Kumpel der Palästinenser schon wieder Mädchen als Sex Sklavinnen entführt. Schade dass Nigeria keine Militaroperation durchführt um sie zu befreien. Der Wert von Frauen ist in Israel deutlich höher.”

Ein Leser schrieb:

“Zu ihren Artikeln vom 28.10.2023 “ARD gibt mit Sprachregelung zu Nahost eine journalistische Bankrotterklärung ab” und ihrem Aufruf/Aufschrei? vom 8.03.2024 “Die massenhaft elend verhungernden Menschen in Gaza spielen keine Rolle, denn sie erreichen unsere Bildschirme nicht und die Politik hat wichtigere Themen” kann ich ihnen gerne eine Informationsquelle der UNO zukommen lassen (Bericht des Sondergesandten für sexuelle Gewalt in kriegerischen Konflikten über die Hamas-Attacke vom 7.10.2023). Vielleicht erkennen sie ja noch die Parallelen der Bevölkerung von Gaza zur Situation der deutschen und östereichischen Bevölkerung während des zweiten Weltkriegs. Hätte die Welt damals genauso im Sinne der leidenden deutschen und österreichischen Bevölkerung argumentiert und insistiert und dem auch noch nachgegeben, hätte sich das damalige Regime wohl noch länger gehalten.

Bitte bringen sie doch auch Artikel wo sich eine deutliche Distanzierung von Terror, Mord, Folter, Verstümmelung, Vergewaltigung, Entführung und Kriegsverbrechen der Hamas und damit der aktuellen Führung der Bevölkerung von Gaza findet. Auch eine Erwähnung der Rolle von einigen UNRWA Mitarbeitern in diesem tragischen Konflikt wäre im Sinne der ausgewogenen Berichterstattung ihrerseits nicht unangebracht, und zwar bezüglich deren Hamas Mitgliedschaft und direkter Unterstützung. Ich bin mir recht sicher ihre Empathie erstreckt sich nicht nur auf die notleidende Bevölkerung von Gaza sondern auch auf die am 7.10 verschleppten und seit Monaten in Geiselhaft gehaltenen Menschen in Gaza. Oder sind sie ähnlich Judith Butler der Ansicht, ich zitiere “October 7 was an act of armed resistance”?”

Ich finde nicht, dass die zu Tausenden verhungernden und schwer verletzten palästinensischen Kinder und die zu Zehntausenden sterbenden Zivilisten als Kollektivschuldige für die grausamen Verbrechen der Hamas-Kämpfer verantwortlich gemacht und mit dem Tod bestraft werden sollten. Ich finde, man darf Mitgefühl mit ihnen ausdrücken, auch ohne gleichzeitig Mitgefühl mit allen anderen leidenden Menschen der Welt auszudrücken. Daran ändert auch nichts, dass viele palästinensische Zivilisten Israel hassen, so wie viele Israelis die Palästinenser hassen.

Natürlich habe ich Mitgefühl mit den israelischen Opfern des Hamas-Ǜberfalls und generell der Angriffe der Hamas. Ich habe Verständnis für den Wunsch der in Israel geborenen und aufgewachsenen Menschen, in ihrer Heimat in Frieden zu leben und ihre Wut darüber, dass man sie nicht lässt. Genauso habe ich Verständnis dafür, dass die Palästinenser nicht in Reservaten unter israelischer Oberhoheit zusammengepfercht leben wollen und sich gegen die Behandlung als Menschen dritter Klasse auflehnen.

So wie die beiden Seiten in den letzten Jahrzehnten miteinander umgegangen sind, werden sie nie aus dieser Spirale des gegenseitigen Hasses herauskommen. Das letzte, was sie brauchen, ist eine Weltöffenltichkeit, die sich an dieser Spirale des Hasses beteiligt.

Wer meinen Blog kennt, weiß, dass ich fast nur über das schreibe, worüber die großen Medien nicht oder nicht das aus meiner Sicht Richtige und Wichtige schreiben. Ich bin kein allgemeines Nachrichtenmedium.

Wenn unser Rundfunk sogar eine Anweisung an seine Journalisten erlässt, bei jedem Bericht über israelische Angriffe und Opfer ausdrücklich hinzuzusetzen, dass daran die Hamas schuld ist, wegen ihres Terroranschlags vom 7. Oktober, dann sind wir sicherlich in einer Situation, in der dieser Zusammenhang ausreichend medial betont wird. Ich muss nicht ausdrücklich dazu sagen, dass ich diesen Terroranschlag verurteile und alle islamistischen Terroranschläge in Nigeria und andernorts gleich mit, um die Berichterstattung der Medien über die Katastrophe in Gaza kritisieren zu dürfen und zum Mitgefühl für die dortigen Menschen aufzurufen. Das wäre reines Signalisieren moralischer Tugend und das ist mir zuwider, auch weil es den Ausdruck von Mitgefühl unter Vorbehalt stellt. Es sollte aber keine Vorbedingungen für Mitgefühl geben.

Wie unsere Medien berichten

Treten wir einen Schritt zurück und schauen auf die Berichterstattung der Medien über Gaza in den letzten Wochen, so taucht das unermessliche Leid der Bevölkerung dort zwar am Rande auf, aber fast nur noch in Zusammenhang mit – völlig unzureichenden – Bemühungen der USA und Europas, es zu lindern. Die anhaltende Bombardierung durch Israel und die dadurch – und vielleicht auch durch weitere Maßnahmen – viel zu geringen Nahrungsmittellieferungen in das Getto der im Zielgebiet eingesperrten, ist fast völlig aus der Berichterstattung verschwunden. Erst als am Sonntag (10.3.) der um seine Wiederwahl bangende US-Präsident Biden Israel zur Einstellung der Kämpfe und zu Verhandlungen über die Geiselfreilassung aufforderte, waren in der Tagesschau wieder israelische Bomben und Kämpfer im Gazastreifen zu sehen.

Ich habe mich zwar wegen der deutschen Geschichte bisher immer sehr mit Kritik an der israelischen Regierung zurückgehalten, aber derzeit ist allzu offensichtlich, dass das, was das israelische Militär mit der Bevölkerung des Gazastreifens macht, für die meisten Menschen auf der Welt weit über das hinausgeht, was man mit dem unbestrittenen Recht des Landes auf Selbstverteidigung rechtfertigen kann. Der Überfall der Hamas war ein grausamer Terrorakt mit hunderten Toten. Die Bombardierung von Gaza durch Israel, mit derzeit über 30.000 Toten, von denen weit über die Hälfte Frauen und Kinder sein sollen, und die offenbar gezielte Eskalation der Notsituation durch Israel, werden derzeit von internationalen Gerichten auf den Tatbestand des Völkermordes geprüft.

Wohl deshalb gehen die Leserbriefschreiber ganz selbstverständlich davon aus, dass ich mit meinem Ruf nach tätigem Mitgefühl für die Menschen im Gazastreifen vor allem oder nur Israel kritisieren will und unterstellen mir wegen dieses Aufrufs, dass ich kein Verständnis für die Lage der Israelis und keine Mitgefühl für israelische Opfer habe.

Nur wenn ich es leugnen würde, oder wenn ich alle Schuld der israelischen Regierung zuweisen würde, müsste man mich darauf hinweisen, dass die Hamas den Terroranschlag ausführte, der den Krieg auslöste. Und das die Hamas auch nach Beginn des israelischen Angriffs die Zivilbevölkerung Israels noch so lange sie konnte, mit Raketen beschoss, was das bereits deutlich erkennbare Leiden der Bevölkerung im Gaza-Streifen absehbar vergrößerte, nur mit dem zerstörerischen Ziel, den Hass auf Israel in der muslimischen Welt zu vergrößern. Wenn ich in einem arabischen Land leben und schreiben würde, müsste ich, als jemand, der die Informationslücken des Mainstream füllen helfen will, vor auf die Schuld der Hamas hinweisen, weil die Rolle Israels von den etablierten Medien dort schon mehr als hinreichend beleuchtet wird.

Aber ich wohne in Deutschland, und die öffentliche Meinung in Deutschland und Europa hat herzlich wenig Einfluss auf den Iran als Schutzmacht der Hamas und auf die Hamas selbst. Was die USA als Schutzmacht Israels und Israel selbst angeht, ist das anders. Deshalb spieße ich es auf, wenn unsere Medien so tun, als würden isch die Möglichkeiten der US-Regierung und ihres europäischen Gefolges etwas Positives beizutragen, notwendig darauf beschränken, Pakete abzuwerfen und an einem Hafen für Hilfslieferungen zu arbeiten.

Die US-Regierung hat es in der Hand, an einer Entspannung mit dem Iran zu arbeiten und so die Untersützung der militanten Hamas-Politik abzubauen. Sie hat es in der Hand, die in der eigenen Bevölkerung sehr umstrittene, rechtsradikale Hardliner-Regierung in Israel dazu zu bewegen, die Palästinenser besser zu behandeln, ihnen Perspektiven für eine bessere Zukunft zu eröffnen, und so auch von dieser Seite Hasspotenzial abzubauen.

Der Aussöhnung im Wege steht eine Haltung, die Mitgefühl für eine Gruppe als fehlendes Mitgefühl für eine andere Gruppe und als Anklage gegen diese interpretiert, nur weil diese Gruppen sich feindlich gegenüberstehen. Wer solche Reflexe hat, hat sich von einem hasserfüllten Klima anstecken lassen. Wenn man den Hass der Palästinenser auf Israel abbauen will, muss man erst einmal Verständnis für deren Lage aufbringen und überlegen, was man tun kann, um diese zu verbessern, genauso wie man sich Gedanken darüber machen muss, wie man dabei die Sicherheit der Israelis garantieren kann, ohne die Palästinenser zu unterdrücken.

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