Düsseldorf testet den Widerstandswillen der Bargeldfreunde

Düsseldorf testet den Widerstandswillen der Bargeldfreunde

04.03.2024 – Norbert Häring

4. 03. 2024 | Die von einer schwarz-grünen Koalition im Stadtrat regierte NRW-Landeshauptstadt probt die Bargeldbeseitigung. In drei Bürgerbüros wird probehalber kein Bargeld mehr akzeptiert. Wenn sich die Bürgerinnen und Bürger nicht genug wehren, will man nur noch in einem einzigen der elf Bürgerbüros “möglichst wenig” Barzahlung von Bürokratiedienstleistungen zulassen.

Seit 1. März können Bürger, die Bürokratieleistungen nachfragen müssen, diese in den Bürgerbüros in den Düsseldorfer Stadtteilen Bilk, Oberkassel und Kaiserswerth nicht mehr mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel Euro-Bargeld bezahlen, sondern nur noch unter Einschaltung von Banken und Zahlungsdienstleistern wie Apple, Google, Mastercard und Visa.

Laut der Pressemitteilung der von Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) regierten Stadt, gilt:

“Wer ausschließlich mit Bargeld zahlen möchte oder kann, muss auf eines der acht anderen Bürgerbüros ausweichen und dort einen Termin buchen. Nach drei Monaten werden die Erfahrungen bereits ausgewertet und die Umstellung gegebenenfalls auf weitere Bürgerbüros ausgeweitet. Ziel ist, Bargeldzahlungen künftig an einem Standort zu bündeln und sie auf ein Minimum zu reduzieren.”

Zur Begründung lässt die Stadt wissen:

“Die Umstellung ist Teil der Verbesserung interner Abläufe, da der Betrieb von Bargeldkassen mit einem hohen organisatorischen Aufwand verbunden ist. Zudem bergen hohe Bargeldbestände einige Sicherheitsrisiken für die Beschäftigten vor Ort. Gleichzeitig spart die Verwaltung einige Ressourcen ein, die auf der anderen Seite für die Bürgerinnen und Bürger wieder zur Verfügung stehen.”

Für die Rücksichtnahme der Stadt auf das Sicherheitsbedürfnis der Beamten und Angestellten haben wir angesichts der fast täglichen Meldungen von bewaffneten Überfällen auf Bürgerämter natürlich großes Verständnis. Auch dass für eine Stadt wie Düsseldorf organisatorisch schwierig bis unzumutbar ist, was jede Eisdiele schafft, glauben wir gern (Ironie Ende). Aber auf welche Weise die eingesparten “einigen Ressourcen” den Bürgern zur Verfügung stehen werden, wüssten wir doch gerne etwas genauer.

Ironischerweise ist Oberbürgermeister Keller nicht nur für Bürgerangelegenheiten, sondern auch für Anti-Diskriminierung zuständig. Obdachlose und andere Menschen ohne Konto gehören offenkundig nicht zu den Menschengruppen, die er und seine normalerweise so diskriminierungssensiblen grünen Koalitionspartner als schutzbedürftig ansehen. Diese sollen künftig auf ein einziges, stadtteilfernes Bürgerbüro verwiesen werden, für das sie sich – ausschließlich online, soweit ich feststellen kann – einen Termin besorgen müssen. Kein leichtes Unterfangen für Obdachlose.

Tritt man einen Schritt zurück, so wird die Arroganz der Staatsmacht deutlich, die sich hier zeigt. Stadt und Staat verlangen von den Bürgern, bürokratische Auflagen zu erfüllen, um legal existieren, wohnen und andere Dinge tun zu dürfen. Für ihre Mitwirkung daran, lassen sie die Bürger bezahlen. Es ist ihnen aber lästig, das Geld einzusammeln. Eine naheliegende Möglichkeit wäre, das Geld für die Veraltung vollständig über die gut geölte Steuerbürokratie aufzubringen und die Bürger nicht mit weiteren Gebühren für Leistungen zu behelligen, die sie sich nicht ausgesucht haben. Staat und Stadt verfallen auf eine andere Lösung. Sie zwingen die Bürger, eine weitere Gruppe von politisch gut vernetzten Dienstleistern einzuschalten, damit die auch noch etwas daran verdienen können. Wer von diesen Dienstleistern nicht als Kunde akzeptiert wird, oder sie nicht nutzen will, hat Pech gehabt.

Die Stadt schreibt, dass die Erfahrungen des sechsmonatigen Probebetriebs laufend ausgewertet werden.

Sie schreibt nicht, nach welchen Kriterien die Entscheidung über die weitere Bargeldverbannung fallen wird. Aber man kann es erahnen.

  • Kreditkarten von American Express sind nicht zugelassen, wohl weil deren Gebühren für die Zahlungsempfänger zu hoch sind. Zahlen also die meisten mit girocard (ehemals EC-Karte) und anderen für die Stadt preisgünstigen Varianten, dürfte das für diese eine positive Erfahrung sein, die sie zur weiteren Bargeldbeseitigung motiviert. Zahlen viele mit den relativ teuren Kreditkarten von Visa und Mastercard eher eine schlechte, hemmende Erfahrung.
  • Bei technischen Problemen mit dem digitalen Bezahlen erhalten Bürgerinnen und Bürger einen Gebührenbescheid, sodass der fällige Betrag im Nachgang des Termins überwiesen werden kann. Das ist relativ umständlich. Sollten also viel Bürger mit nicht funktionierenden Karten zahlen wollen, die aber nicht offenkundig abgelaufen oder anderweitig ungültig sind, dürfte das die Stadt eher hemmen, bei ihren weiteren Plänen.
  • Beifallsbekundungen an den Oberbürgermeister oder die Vertreter der regierenden Parteien im Stadtrat dürften die Stadt in ihren Plänen bestärken, Missfallensbekundungen dagegen hemmen.
  • Falls in nächster Zeit besonders viel Bargeld in anderen Bürgerbüros umgesetzt werden sollte, dürfte das der Stadt zeigen, dass den Bürgern die Barzahlungsmöglichkeit wichtig ist.
  • Auch wenn Interessenvertreter der Obdachlosen durch Protestschreiben oder über die Medien die geplante Diskriminierung ihrer Klientel anprangern, dürfte das einen Hemmschuh darstellen.

Daraus ergibt sich direkt, was Digitalisierungsbegeisterte auf der einen Seite und Bargeldfreunde auf der anderen Seite tun können, um der Stadt ihre Zustimmung oder Ablehnung dieser Pläne zu signalisieren und so auf den weiteren Gang der Dinge Einfluss zu nehmen.

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Beratungsstellen laufen Sturm gegen die Abschottung der Behörden durch Digitalisierung
24. 10. 23 | Wie verlogen die Sprüche von der Digitalisierung sind, die dazu diene, die Verwaltung bürgerfreundlicher zu machen, zeigt ein offener Brief von 25 Hamburger Bürgerberatungsstellen. Diese beklagen, dass die digitalen Möglichkeiten zur Antragsstellung und Terminvergabe nicht wie versprochen zusätzlich eingerichtet werden, sondern dazu dienen, eine ausgedünnte Verwaltung gegen Bürger abzuschotten.

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Seit 1. März können Bürger, die Bürokratieleistungen nachfragen müssen, diese in den Bürgerbüros in den Düsseldorfer Stadtteilen Bilk, Oberkassel und Kaiserswerth nicht mehr mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel Euro-Bargeld bezahlen, sondern nur noch unter Einschaltung von Banken und Zahlungsdienstleistern wie Apple, Google, Mastercard und Visa.

Laut der Pressemitteilung der von Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) regierten Stadt, gilt:

“Wer ausschließlich mit Bargeld zahlen möchte oder kann, muss auf eines der acht anderen Bürgerbüros ausweichen und dort einen Termin buchen. Nach drei Monaten werden die Erfahrungen bereits ausgewertet und die Umstellung gegebenenfalls auf weitere Bürgerbüros ausgeweitet. Ziel ist, Bargeldzahlungen künftig an einem Standort zu bündeln und sie auf ein Minimum zu reduzieren.”

Zur Begründung lässt die Stadt wissen:

“Die Umstellung ist Teil der Verbesserung interner Abläufe, da der Betrieb von Bargeldkassen mit einem hohen organisatorischen Aufwand verbunden ist. Zudem bergen hohe Bargeldbestände einige Sicherheitsrisiken für die Beschäftigten vor Ort. Gleichzeitig spart die Verwaltung einige Ressourcen ein, die auf der anderen Seite für die Bürgerinnen und Bürger wieder zur Verfügung stehen.”

Für die Rücksichtnahme der Stadt auf das Sicherheitsbedürfnis der Beamten und Angestellten haben wir angesichts der fast täglichen Meldungen von bewaffneten Überfällen auf Bürgerämter natürlich großes Verständnis. Auch dass für eine Stadt wie Düsseldorf organisatorisch schwierig bis unzumutbar ist, was jede Eisdiele schafft, glauben wir gern (Ironie Ende). Aber auf welche Weise die eingesparten “einigen Ressourcen” den Bürgern zur Verfügung stehen werden, wüssten wir doch gerne etwas genauer.

Ironischerweise ist Oberbürgermeister Keller nicht nur für Bürgerangelegenheiten, sondern auch für Anti-Diskriminierung zuständig. Obdachlose und andere Menschen ohne Konto gehören offenkundig nicht zu den Menschengruppen, die er und seine normalerweise so diskriminierungssensiblen grünen Koalitionspartner als schutzbedürftig ansehen. Diese sollen künftig auf ein einziges, stadtteilfernes Bürgerbüro verwiesen werden, für das sie sich – ausschließlich online, soweit ich feststellen kann – einen Termin besorgen müssen. Kein leichtes Unterfangen für Obdachlose.

Tritt man einen Schritt zurück, so wird die Arroganz der Staatsmacht deutlich, die sich hier zeigt. Stadt und Staat verlangen von den Bürgern, bürokratische Auflagen zu erfüllen, um legal existieren, wohnen und andere Dinge tun zu dürfen. Für ihre Mitwirkung daran, lassen sie die Bürger bezahlen. Es ist ihnen aber lästig, das Geld einzusammeln. Eine naheliegende Möglichkeit wäre, das Geld für die Veraltung vollständig über die gut geölte Steuerbürokratie aufzubringen und die Bürger nicht mit weiteren Gebühren für Leistungen zu behelligen, die sie sich nicht ausgesucht haben. Staat und Stadt verfallen auf eine andere Lösung. Sie zwingen die Bürger, eine weitere Gruppe von politisch gut vernetzten Dienstleistern einzuschalten, damit die auch noch etwas daran verdienen können. Wer von diesen Dienstleistern nicht als Kunde akzeptiert wird, oder sie nicht nutzen will, hat Pech gehabt.

Die Stadt schreibt, dass die Erfahrungen des sechsmonatigen Probebetriebs laufend ausgewertet werden.

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  • Kreditkarten von American Express sind nicht zugelassen, wohl weil deren Gebühren für die Zahlungsempfänger zu hoch sind. Zahlen also die meisten mit girocard (ehemals EC-Karte) und anderen für die Stadt preisgünstigen Varianten, dürfte das für diese eine positive Erfahrung sein, die sie zur weiteren Bargeldbeseitigung motiviert. Zahlen viele mit den relativ teuren Kreditkarten von Visa und Mastercard eher eine schlechte, hemmende Erfahrung.
  • Bei technischen Problemen mit dem digitalen Bezahlen erhalten Bürgerinnen und Bürger einen Gebührenbescheid, sodass der fällige Betrag im Nachgang des Termins überwiesen werden kann. Das ist relativ umständlich. Sollten also viel Bürger mit nicht funktionierenden Karten zahlen wollen, die aber nicht offenkundig abgelaufen oder anderweitig ungültig sind, dürfte das die Stadt eher hemmen, bei ihren weiteren Plänen.
  • Beifallsbekundungen an den Oberbürgermeister oder die Vertreter der regierenden Parteien im Stadtrat dürften die Stadt in ihren Plänen bestärken, Missfallensbekundungen dagegen hemmen.
  • Falls in nächster Zeit besonders viel Bargeld in anderen Bürgerbüros umgesetzt werden sollte, dürfte das der Stadt zeigen, dass den Bürgern die Barzahlungsmöglichkeit wichtig ist.
  • Auch wenn Interessenvertreter der Obdachlosen durch Protestschreiben oder über die Medien die geplante Diskriminierung ihrer Klientel anprangern, dürfte das einen Hemmschuh darstellen.

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