Offener Brief von über 300 Mitarbeitern der Uniklinik Tübingen

Offener Brief von über 300 Mitarbeitern der Uniklinik Tübingen

07.02.2022 – Gunnar Kaiser

Dieser offene Brief steht stellvertretend für das Anliegen der über 300 Mitarbeiter (323 Unterschriften) aus den verschiedensten Bereichen der Uni-Klinik-Tübingen, die sich gegen eine Impfpflicht aussprechen und dieses Schreiben unterzeichnet haben. Die über das Schreiben bereits berichtenden Medien sind etwa SWR Aktuell oder Boris Reitschuster

Mitarbeitende der Uniklinik Tübingen, 29.01.2022

Sehr geehrter Herr Professor Bamberg, sehr geehrte Frau Sonntag, sehr geehrter Herr Tischler, sehr geehrte Damen und Herren des Personalrats,

ab dem 16. März 2022 gilt in Deutschland in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen eine einrichtungsbezogene Impfpflicht gegen COVID-19. Als Mitarbeitende des Universitätsklinikums Tübingen betrifft uns dieser Beschluss unmittelbar, aus diesem Grund wenden wir uns in diesem offenen Brief an Sie. Wir, das sind weit mehr als 300 Kolleginnen und Kollegen des Universitätsklinikums Tübingen, darunter sowohl medizinisches Fachpersonal, Ärzte, Verwaltungsangestellte als auch Mitarbeitende in technischen und supportiven Bereichen.

Die letzten zwei Jahre waren für uns alle am UKT entbehrungsreich und belastend. Viele von uns sind seit COVID-19 selbstverständlich eingesprungen, wann immer es nötig war, haben sich freiwillig versetzen lassen, um Engpässe zu kompensieren, viele Überstunden wurden gemacht. Persönliche Ängste traten in den Hintergrund, um stattdessen verunsicherten und verängstigten Patienten Halt zu geben. Durch diese außerordentlichen Leistungen sind viele an ihre Grenzen gekommen und über sich hinausgewachsen.

Es fällt uns nun aber zunehmend schwer, unsere eigene körperliche Unversehrtheit von politischen Entscheidungen abhängig zu machen. Einige Kolleginnen und Kollegen sind genesen, andere haben sich aus individueller Risikoabwägung gegen die Impfung entschieden, wieder andere möchten sich nicht mehr boostern lassen, weil unklar ist, wie oft sie ihre Impfung erneut auffrischen müssen und ob die Impfung den gewünschten Effekt gegen Omikron und weitere Varianten bringt. Wir haben zunehmend Impfdurchbrüche erlebt und zugleich viele Genesene in unserem Umfeld beobachtet, die während ihrer Erkrankung keine auffälligen Symptome entwickelten. Mittlerweile sind wir auch aufgrund der Mutationen nicht mehr vom Schutz der Impfung überzeugt.

Wir fragen uns, ob es tatsächlich richtig ist, unsere persönlichen Ängste und Bedenken über die COVID-19-Impfung zu ignorieren und zu übergehen. Wir sehen, dass Risikogruppen von der Impfung profitieren; wir beobachten aber auch, dass auf den Intensivstationen hauptsächlich Risikopatienten liegen, selten jedoch Patienten ohne relevante Vorerkrankungen.

Wir wünschen uns in diesem Zusammenhang eine offene und ehrliche Kommunikation sowie Transparenz, sowohl nach innen, als auch nach außen. Seit einem halben Jahr müssen sich viele von uns mit beleidigenden und beschämenden, teilweise sogar menschenverachtenden Verhaltensweisen am UKT auseinandersetzen. Ungeimpften Kolleginnen und Kollegen wird z.B. gewünscht, einen schweren Verlauf zu bekommen oder zwangsgeimpft zu werden. In ähnlicher Weise sind auch die uns anvertrauten ungeimpften Patienten betroffen. Wir befinden uns in einer Situation, die als Mensch kaum zu ertragen, geschweige denn zu begreifen ist.

Warum gibt es intern keine einheitlichen Vorgaben und Hilfe?

Wir können nicht nachvollziehen, dass im aktuellen und akuten Personalmangel des UKT schon heute Mitarbeitende ab März nicht mehr für Ihre Dienste eingeplant werden. Überall mangelt es an Pflegepersonal und dennoch soll es nun zu Freistellungen kommen. Wieso wird die prekäre Situation intern derzeit so stark befeuert? Und warum sollte Angestellten, die keinen Patientenkontakt haben, im Homeoffice arbeiten oder in Elternzeit sind, ab 16. März 2022 eine Freistellung drohen?

Warum müssen sich ungeimpfte Mitarbeitende vor ihren Vorgesetzten, bzw. neuerdings in einer Bürgerteststelle testen? Geimpfte Mitarbeitende können sich zuhause selbst testen. Dies empfinden wir als diskriminierend. Warum setzt sich das UKT hier nicht für eine Gleichbehandlung aller Mitarbeitenden ein?

Warum ist der Zutritt für ungeimpfte Mitarbeitende zur Kantine komplett verwehrt? Wenigstens eine Essensabholung müsste möglich sein. Warum hat der Personalrat des UKT bislang noch keine aktive Unterstützung angeboten? Wir empfinden das als Missstand und hoffen auf Hilfe.

Was können wir gemeinschaftlich tun, um dies abzuwenden?

Wir alle wissen, wie schwer es die letzten Jahre für das UKT war, Personal zu akquirieren. Jeder einzelne Mitarbeitende ist für das UKT wertvoll und systemrelevant! Aus unserer Sicht gefährden die aktuellen politischen Maßnahmen unser fragiles Gesundheitssystem nur noch stärker. Sie schwächen den Zusammenhalt, die Qualität und die Fähigkeit, eine optimale Krankenversorgung zu gewährleisten. Der immer stärker werdende Impfdruck bewirkt eine weitere Verhärtung.

Spätestens seit der Einführung der Impfpflicht setzen sich immer mehr Kolleginnen und Kollegen mit den oben aufgeführten Fragen auseinander. Selbst die geimpften Kolleginnen und Kollegen sind verunsichert, hinterfragen nun vieles mehr und signalisieren Solidarität. Einige sind bereits so frustriert, dass sie sich nach neuen Tätigkeitsfeldern umsehen, weitere melden sich vorsorglich arbeitssuchend bei der Agentur für Arbeit.

Wir bitten Sie eindringlich um Ihre Unterstützung!

Lassen Sie uns deshalb gemeinsam nach guten Lösungen für alle suchen. Aus unserer Sicht ist es dringend notwendig, gegenseitigen Respekt zu schaffen und zu stärken, unabhängig von Impfstatus oder anderen persönlichen Belangen.

Wir bitten Sie als unseren Arbeitgeber und unsere Vorgesetzten sowie unsere Kolleginnen und Kollegen, uns zu unterstützen, so dass wir alle gemeinsam weiterhin Krankenversorgung auf höchstem universitären Niveau anbieten können. Das ist das, was wir tun wollen!

Herzlichen Dank und beste Grüße, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Offener Brief von über 300 Mitarbeitern der Uniklinik Tübingen

07.02.2022 – Gunnar Kaiser

Dieser offene Brief steht stellvertretend für das Anliegen der über 300 Mitarbeiter (323 Unterschriften) aus den verschiedensten Bereichen der Uni-Klinik-Tübingen, die sich gegen eine Impfpflicht aussprechen und dieses Schreiben unterzeichnet haben. Die über das Schreiben bereits berichtenden Medien sind etwa SWR Aktuell oder Boris Reitschuster

Mitarbeitende der Uniklinik Tübingen, 29.01.2022

Sehr geehrter Herr Professor Bamberg, sehr geehrte Frau Sonntag, sehr geehrter Herr Tischler, sehr geehrte Damen und Herren des Personalrats,

ab dem 16. März 2022 gilt in Deutschland in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen eine einrichtungsbezogene Impfpflicht gegen COVID-19. Als Mitarbeitende des Universitätsklinikums Tübingen betrifft uns dieser Beschluss unmittelbar, aus diesem Grund wenden wir uns in diesem offenen Brief an Sie. Wir, das sind weit mehr als 300 Kolleginnen und Kollegen des Universitätsklinikums Tübingen, darunter sowohl medizinisches Fachpersonal, Ärzte, Verwaltungsangestellte als auch Mitarbeitende in technischen und supportiven Bereichen.

Die letzten zwei Jahre waren für uns alle am UKT entbehrungsreich und belastend. Viele von uns sind seit COVID-19 selbstverständlich eingesprungen, wann immer es nötig war, haben sich freiwillig versetzen lassen, um Engpässe zu kompensieren, viele Überstunden wurden gemacht. Persönliche Ängste traten in den Hintergrund, um stattdessen verunsicherten und verängstigten Patienten Halt zu geben. Durch diese außerordentlichen Leistungen sind viele an ihre Grenzen gekommen und über sich hinausgewachsen.

Es fällt uns nun aber zunehmend schwer, unsere eigene körperliche Unversehrtheit von politischen Entscheidungen abhängig zu machen. Einige Kolleginnen und Kollegen sind genesen, andere haben sich aus individueller Risikoabwägung gegen die Impfung entschieden, wieder andere möchten sich nicht mehr boostern lassen, weil unklar ist, wie oft sie ihre Impfung erneut auffrischen müssen und ob die Impfung den gewünschten Effekt gegen Omikron und weitere Varianten bringt. Wir haben zunehmend Impfdurchbrüche erlebt und zugleich viele Genesene in unserem Umfeld beobachtet, die während ihrer Erkrankung keine auffälligen Symptome entwickelten. Mittlerweile sind wir auch aufgrund der Mutationen nicht mehr vom Schutz der Impfung überzeugt.

Wir fragen uns, ob es tatsächlich richtig ist, unsere persönlichen Ängste und Bedenken über die COVID-19-Impfung zu ignorieren und zu übergehen. Wir sehen, dass Risikogruppen von der Impfung profitieren; wir beobachten aber auch, dass auf den Intensivstationen hauptsächlich Risikopatienten liegen, selten jedoch Patienten ohne relevante Vorerkrankungen.

Wir wünschen uns in diesem Zusammenhang eine offene und ehrliche Kommunikation sowie Transparenz, sowohl nach innen, als auch nach außen. Seit einem halben Jahr müssen sich viele von uns mit beleidigenden und beschämenden, teilweise sogar menschenverachtenden Verhaltensweisen am UKT auseinandersetzen. Ungeimpften Kolleginnen und Kollegen wird z.B. gewünscht, einen schweren Verlauf zu bekommen oder zwangsgeimpft zu werden. In ähnlicher Weise sind auch die uns anvertrauten ungeimpften Patienten betroffen. Wir befinden uns in einer Situation, die als Mensch kaum zu ertragen, geschweige denn zu begreifen ist.

Warum gibt es intern keine einheitlichen Vorgaben und Hilfe?

Wir können nicht nachvollziehen, dass im aktuellen und akuten Personalmangel des UKT schon heute Mitarbeitende ab März nicht mehr für Ihre Dienste eingeplant werden. Überall mangelt es an Pflegepersonal und dennoch soll es nun zu Freistellungen kommen. Wieso wird die prekäre Situation intern derzeit so stark befeuert? Und warum sollte Angestellten, die keinen Patientenkontakt haben, im Homeoffice arbeiten oder in Elternzeit sind, ab 16. März 2022 eine Freistellung drohen?

Warum müssen sich ungeimpfte Mitarbeitende vor ihren Vorgesetzten, bzw. neuerdings in einer Bürgerteststelle testen? Geimpfte Mitarbeitende können sich zuhause selbst testen. Dies empfinden wir als diskriminierend. Warum setzt sich das UKT hier nicht für eine Gleichbehandlung aller Mitarbeitenden ein?

Warum ist der Zutritt für ungeimpfte Mitarbeitende zur Kantine komplett verwehrt? Wenigstens eine Essensabholung müsste möglich sein. Warum hat der Personalrat des UKT bislang noch keine aktive Unterstützung angeboten? Wir empfinden das als Missstand und hoffen auf Hilfe.

Was können wir gemeinschaftlich tun, um dies abzuwenden?

Wir alle wissen, wie schwer es die letzten Jahre für das UKT war, Personal zu akquirieren. Jeder einzelne Mitarbeitende ist für das UKT wertvoll und systemrelevant! Aus unserer Sicht gefährden die aktuellen politischen Maßnahmen unser fragiles Gesundheitssystem nur noch stärker. Sie schwächen den Zusammenhalt, die Qualität und die Fähigkeit, eine optimale Krankenversorgung zu gewährleisten. Der immer stärker werdende Impfdruck bewirkt eine weitere Verhärtung.

Spätestens seit der Einführung der Impfpflicht setzen sich immer mehr Kolleginnen und Kollegen mit den oben aufgeführten Fragen auseinander. Selbst die geimpften Kolleginnen und Kollegen sind verunsichert, hinterfragen nun vieles mehr und signalisieren Solidarität. Einige sind bereits so frustriert, dass sie sich nach neuen Tätigkeitsfeldern umsehen, weitere melden sich vorsorglich arbeitssuchend bei der Agentur für Arbeit.

Wir bitten Sie eindringlich um Ihre Unterstützung!

Lassen Sie uns deshalb gemeinsam nach guten Lösungen für alle suchen. Aus unserer Sicht ist es dringend notwendig, gegenseitigen Respekt zu schaffen und zu stärken, unabhängig von Impfstatus oder anderen persönlichen Belangen.

Wir bitten Sie als unseren Arbeitgeber und unsere Vorgesetzten sowie unsere Kolleginnen und Kollegen, uns zu unterstützen, so dass wir alle gemeinsam weiterhin Krankenversorgung auf höchstem universitären Niveau anbieten können. Das ist das, was wir tun wollen!

Herzlichen Dank und beste Grüße, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

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